Die
Entwicklung des "Modells Öflingen" ist eine wunderbare und logische
Erfolgsgeschichte. Aber nur, sofern man Mut, Wahrhaftigkeit und Beharrungsvermögen
zu den selbstverständlichen menschlichen Charakterzügen zählt.
Hanna und Paul Gräb hatten den Mut, ihre Arbeit für behinderte Menschen
zu beginnen, was zu dieser Zeit längst noch nicht selbstverständlich
war.
Dass sie dafür Künstler um Unterstützung baten, die der als "entartet" gebrandmarkten
Generation angehörten, ist nur eines der unzähligen Steinchen im Mosaik eines
großartigen Lebenswerks.
1956 kamen der damals 35-jährige Paul Gräb und seine Ehefrau Hanna
in die südbadische
600-Seelen-Kirchengemeinde Öflingen. Die erste Predigt hielt der evangelische
Pfarrer in der Schule, denn die Kirche war noch im Bau. Sie wurde 1957 eingeweiht.
Zwei Jahre später bekam die Christuskirche ihre Glocken.
Um die Orgel zu finanzieren entwickelte der kunstbegeisterte Pfarrer die Idee,
mittels Kunstausstellungen das notwendige Geld zu beschaffen.
Paul Gräb überzeugte Max Ackermann, Otto Dix, Erich Heckel, Walter Herzger und
viele andere Künstler vom Hochrhein von seinem Plan. 1961 stellten sie gemeinsam
in der Öflinger Kirche aus. Alle Bilder wurden verkauft, wobei 2/3 des Erlöses
für die Künstler und 1/3 für die Kirchengemeinde war. 1962 und 1965 folgten die
nächsten Ausstellungen. Künstler kamen hinzu, die in London, Paris und New York
gehandelt wurden: Horst Antes, Jürgen Brodwolf, Gerhard Marcks sowie Heinz Mack,
Otto Pine und Günter Uecker.
Öflingen und sein "Kunstpfarrer Gräb" waren plötzlich in
aller Munde. Die Ausstellung wurde zum Geheimtipp, der kleine Ort
zur Pilgerstätte für Kunstbegeisterte.
1965 - zur großen Freude der Kirchengemeinde und ihrer exzellenten Organistin
Hanna Gräb- war die Orgel finanziert.
Die Künstler aber wollten in Öflingen die Ausstellungen unbedingt
fortsetzen, denn ihre Bilder waren nie zuvor in einem sakralen Raum
gezeigt worden. Moderne Kunst neben Altar und Kanzel, von der die
Botschaft Gottes verkündet wird? Das provoziert Widerspruch, den
Paul Gräb sensibel aufnahm: Mit Hilfe der Landeskirche sowie hervorragenden
Theologen und Kunsthistorikern leitete er den Prozess ein, der später
als "Dialog von Kunst und Kirche" in die Kunstgeschichte
einging.
Und wofür sollte der Erlös der weiteren Ausstellungen verwendet werden?
Für ein Diakoniezentrum mit Altenheimplätzen, einem Wohnheim für
Menschen mit einer geistigen Behinderung sowie einer Sozialstation.
Als dann 1985 das Haus der Diakonie Wehr-Öflingen eingeweiht wurde,
war ein lang ersehnter Traum in Erfüllung gegangen - aber die Geschichte
des "Modells-Öflingen" ist damit noch lange nicht zu Ende.
Kontinuierlich wurden/werden neue Projekte entwickelt, etwa Kunst-Workshops für
die Bewohner oder gemeinsame Ausstellungen behinderter und professioneller
Künstler – immer in einem Miteinander auf Augenhöhe.
Das Haus der Diakonie und viele der Aktivitäten mit den Behinderten
werden von der Hanna und Paul Gräb-Stiftung finanziell unterstützt.
Als
weiteres Projekt wurde der Lothar Späth Förderpreis ins Leben gerufen.
Der ehemalige Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Prof.
Dr. h.c. Lothar Späth, stiftet seit 2006 einen Förderpreis für
malende Künstler mit geistiger Behinderung. Aus dem ganzen Bundesgebiet
und der angrenzenden Schweiz werden heute Jahr für Jahr über 400
Bilder aus mehr als 44 Behinderteneinrichtungen nach Wehr gesandt.
Eine Jury, bestehend aus Profikünstlern, wählt drei Preisträger sowie
15 Anerkennungspreise aus, die von der Wehrer Wirtschaft gespendet
werden. Die Hanna und Paul Gräb-Stiftung unterstützt auch dieses
einzigartige Projekt finanziell.
Eine Image-Broschüre, in der alle Aktivitäten und das Haus der Diakonie
dargelegt werden, kann bei Bedarf als PDF unter Download heruntergeladen
werden.